Radtour aus der Stagnation: Die Critical Mass erobert den Märkischen Kreis

Wir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. Ganz Deutschland lässt sich von tonnenschweren Autos durchs Land karren. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Pedalrittern angetriebenes Gefährt namens Fahrrad hört nicht auf, einen Teil der Straßen für sich in Anspruch zu nehmen. Doch das Leben ist nicht leicht für die Asphalt-Rebellen …

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Die leicht abgewandelte Form des berühmten Asterix und Obelix Intros veranschaulicht gut, wie sich so manch Radler:in im ländlichen Raum fühlen mag. In der Tat: Viele Radfahrten erinnern hier wirklich eher an eine Schlacht ums Überleben, als an eine genussvolle Tour als gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer. Nicht nur, dass bei der Vergabe der Radwege so manche Stadt und Gemeinde im Märkischen Kreis scheinbar vergessen wurde – auch in den Köpfen der meisten Verkehrsteilnehmer:innen scheint das unmotorisierte Zweirad nicht existent zu sein. Aus eigener Kraft die vielen gemeinen Hügel dieser Gegend selbst erkämpfen? Na, wo kommen wir denn da hin!

Ohne Radler:innen keine Fahrradinfrastruktur

Zumindest kommen wir so nicht aufs Fahrrad. Denn: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Teil 1 eines tragischen Teufelskreises. Mag ja sein, dass das Radfahren gesund ist und sogar Spaß macht. Doch wer es nicht probiert, wird es niemals erfahren und schon gar nicht vermissen. Ebenso wird niemandem, der es nicht selber „erfährt“, auffallen, dass es kaum vernünftige Radwege gibt. Oder dass es sehr bedrohlich wirkt, wenn tonnenschwere SUVs besonders schnell und demonstrativ nah am schutzlosen Zweirad vorbei manövriert werden, um dessen Fahrer:in mitzuteilen, dass sein:e Langsamkeit den Verkehrsfluss stört.

Der Teufelskreis dreht sich weiter. Teil 2: Wenn gute Bedingungen fürs Radfahren nicht vermisst werden, fordert sie auch niemand ein. Teil 3: Wenn etwas nicht eingefordert wird, sieht sich die Politik nicht in der Pflicht, etwas zu ändern. Teil 4: Es passiert nichts. Womit sich der Kreis schließt: Das Thema Radfahren bleibt weiterhin eine Randerscheinung, niemand macht es, niemand vermisst es und das Spiel geht von vorne los. Außerdem landet man dann eben bei einer deutschlandweit durchgeführten Umfrage wie dem ADFC Fahrradklima-Test auf den hinteren Rängen, wenn nicht gar auf dem Allerletzten (so wie Lüdenscheid).

Für eine Stadt, die beeindruckend schlecht beim ADFC Fahrrad Klima Test abschneidet, stellten mehr als 120 Radler:innen in Lüdenscheid eine beeindruckende kritische Masse dar!
Für eine Stadt, die beeindruckend schlecht beim ADFC Fahrrad Klima Test abschneidet, stellten mehr als 120 Radler:innen in Lüdenscheid eine beeindruckende kritische Masse dar!

Das Ende der Stagnation

Zurück zu den unbeugsamen Rad-Revoluzzern, die es nicht lassen können, für ihr Vorankommen in Schweiß auszubrechen. Doch diese Menschen sind ja auch nicht blöd. Bei vielen fährt sicher auch ein gewissen Idealismus mit: Natürlich ist Radfahren gut für die Umwelt und gut fürs Klima. Vor allem aber macht Radfahren eines: total viel Spaß! Wäre das nicht der Fall, würden sich vermutlich auch die letzten Radler:innen noch ins Auto setzen.

Doch zum Glück ist das Gegenteil der Fall. Radfahren macht Spaß. Radfahren macht glücklich. Radfahren macht gesund. Radfahren spart Geld und schont die Nerven. Wer diese und viele weitere Vorteile einmal erfahren hat, bricht freiwillig aus dem Teufelskreis der Automobilität aus. Fortbewegung wird zum bewussten Genuss und doch radelt der Verdruss immer mit. Bis man sich auf dem Rad genau so sicher fühlen kann wie im Auto ist es noch ein langer Weg. Um diesen Weg zu verkürzen, versuchen immer mehr Radler:innen auch im Märkischen Kreis der Stagnation ein Ende zu setzen. Das Mittel dazu hält die Straßenverkehrsordnung höchstselbst bereit:

StVO § 27 – Verbände: Die Grundlage der Critical Mass

(1) Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Mehr als 15 Rad Fahrende dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.

Nebeneinander zu fahren ist im Falle eines „Verbandes“ im Sinne der StVO absolut erlaubt!
Nebeneinander zu fahren ist im Falle eines „Verbandes“ im Sinne der StVO absolut erlaubt! Dabei Spaß zu haben übrigens auch.

Nichts Anderes passiert, wenn sich Radfahrer:innen zu einer Critical Mass treffen. Ist die „Kritische Masse“ von 15 Personen überschritten, greift § 27 StVO und die Radelnden dürfen vollkommen legal als große Gruppe und nebeneinander durch die Stadt rollen. Selbst rote Ampeln dürfen überfahren werden, solange der Anfang des Verbands sie noch bei Grün überquert hat. Natürlich darf eine Critical Mass Spaß machen. Doch in diesem Kontext möchten alle Teilnehmenden vor allem eines: Den Teufelskreis der Untätigkeit durchbrechen und den anderen Stadtbewohner:innen und Verkehrsteilnehmer:innen, vor allem aber der Politik eines mitteilen: Wir sind auch noch da.

Wir möchten gleichberechtigt und sicher in der Lage sein uns auf unseren Fahrrädern fortzubewegen. Dafür benötigen wir vor allem Radwege und Respekt. Darum versteht unsere Zusammenkunft bitte nicht als Störung. Wenn ihr euch gestört fühlt, liegt es daran, dass in dieser Stadt etwas nicht stimmt. Und daran muss gearbeitet werden. Sodass sich mehr Menschen aufs Rad trauen. Sodass die Stadt sicherer und lebenswerter wird. Sodass man wieder gern draußen sitzt und in einem gemütlichen Café eine gute Zeit hat. Sodass Kinder gefahrlos vor der Haustür spielen können. Sodass Anwohner:innen wieder die Fenster öffnen können, ohne das Gefühl zu haben, direkt neben der Autobahn zu wohnen (okay, auf der A45 ist es zur Zeit relativ ruhig). Sodass Fett verbrannt wird und kein Sprit. Sodass Platz geschaffen wird für Schönes, anstatt ihn für immer mehr Parkplätze zu verschwenden.

Die Route der Critical Mass Lüdenscheid führte direkt am Rathaus vorbei. Vielleicht schaut ja irgendwann mal jemand der darin Arbeitenden zu...:)
Die Route der Critical Mass Lüdenscheid führte direkt am Rathaus vorbei. Vielleicht schaut ja irgendwann mal jemand der darin Arbeitenden zu…:)

Halver und Lüdenscheid: kommt eine kritische Masse in Bewegung?

Mehr als 30 Radler:innen in Halver, mehr als 120 in Lüdenscheid fanden sich im Mai 2023 mit dieser Botschaft zusammen. Das sind 150 mehr, als noch vor einigen Jahren. Für eine Critical Mass im Sinne der StVO mehr als genug. Aber auch, um wirklich etwas zu bewegen? Vielleicht noch nicht ganz. Vielleicht braucht es noch ein paar mehr, um noch eindrucksvollere Bilder zu erzeugen, die der Politik eine deutliche Botschaft senden. Vielleicht werden dann Radwege gebaut. Vielleicht fahren dann immer mehr Menschen freiwillig und gern mit dem Rad durch die Stadt. Vielleicht setzt sich so irgendwann etwas in Bewegung und löst die Lethargie der Vergangenheit endlich ab. Bist du beim nächsten Mal dabei?

BALU ist übrigens bestens dafür geeignet, auch ohne Critical Mass das Thema Fahrrad zu genießen und sichtbar zu machen: Mit einem schicken Lastenrad fällt man einfach auf! Im positiven Sinn und mit viel Spaß, versprochen.

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